Das aufdringlichste aller Satzzeichen

Viele Satzzeichen lassen dem Leser oder auch dem Schreiber viel Spielraum: Semikola und Kommata schreien quasi nach einer Fortsetzung des Satzes; das Fragezeichen fordert stets eine Antwort; und sogar der Punkt – auch wenn dieser einen Satz beendet – sorgt lediglich für eine Gedankenpause und lässt die Möglichkeit zu, einen weiteren Satz anzuschließen. Nicht aber das Ausrufezeichen!

Von Nadezda Gerdemann

Hören Sie doch endlich zu!!!

In der „Zeit“ liest man folgenden Satz: „… der Strich mit dem Punkt ist nun mal das Satzzeichen der ewig Unverstandenen, die das Gefühl haben, nicht ausreichend gehört zu werden – und als Konsequenz erst mal die Lautstärke hochdrehen.“ Der Beweis: Til Schweiger, zum Beispiel, kommentierte eine Kritik zu einer Folge des Tatorts mit ganzen 17 (!) Ausrufezeichen. Kann also die häufige Verwendung von vielen Ausrufezeichen an der Angst liegen, unterzugehen, nicht gehört zu werden und in Vergessenheit zu geraten? Ist unsere Meinung mittlerweile wirklich so wenig wert, dass wir sie nur mit einem Ausrufezeichen geltend machen können? Hört uns denn keiner mehr zu?!

Auf der Suche nach einer Antwort

Obwohl das Aussehen des Zeichens recht früh feststand, kam das Ausrufezeichen erst spät zu seinem heute geläufigen Namen: Früher wurden für das Symbol solche Bezeichnungen wie „Verwunderungszeichen“, „Wunschzeichen“, „Schmerzzeichen“, „Zuspruchzeichen“ oder „Scheuzeichen“ verwendet. Erstmals wurde das Symbol von Goethes Zeitgenossen Johann Christoph Adelung definiert: „Dieses [das Ausrufezeichen] bezeichnet jeden andern lebhaften Affekt, er sei von welcher Art er wolle, wenn er denjenigen Grad der Stärke hat, welche sich durch den Ausruf äußert.“ Das allererste Mal taucht das Ausrufezeichen in der Bibelausgabe von Martin Luther im Jahr 1797 auf.

 

Ist das Ausrufezeichen eigentlich unnötig?

Nun kommen wir der Antwort auf unsere Frage näher: Ein Ausrufezeichen zeugt zwar von gewisser Aufregung, diese kann aber mehrere Ursprünge haben, den vielen unterschiedlichen Bezeichnungen nach zu beurteilen. Mit einem Ausrufezeichen kann man also auch Verwunderung, Zuspruch, Empörung oder auch Schmerz ausdrücken.

Ganz schön vielseitig, wenn auch ziemlich aufdringlich. Und seien wir mal ehrlich, ein Ausrufezeichen kann ein sehr gutes Stilmittel sein. Wenn es richtig eingesetzt ist, versteht sich: Denn erst dieses kleine schreiende Symbol haucht einem Text Gefühle ein.

Ein Lösungsansatz

Auch wenn am Ende eines Satzes 1.000 Ausrufezeichen stehen, muss er nicht bedeutsam sein – wie im oberen Beispiel. Wie wäre es damit, wenn wir uns lieber auf den Inhalt einer Aussage konzentrieren, anstatt auf ihre Betonung?