Evolution des Fragezeichens: vom Gesang zum Schach

Gibt es ein Zeichen, das eindeutiger in seiner Bedeutung ist? Das Fragezeichen – wie der Name schon sagt, wird er bei einer Frage verwendet. Am Ende des Satzes. Zumindest in den meisten Fällen… Denn auch beim Fragezeichen gilt: Fragezeichen ist nicht gleich Fragezeichen! Fangen wir aber von vorne an:

Stammt das Fragezeichen aus der Musik …

Laut einer Annahme entstand das Fragezeichen aus dem gregorianischen Kirchengesang: Dort stand das Zeichen für steigende Stimmführung und spiegelte die Armführung des Chorleiters wider. So wurde das Fragezeichen für die Texte übernommen, um auch hier die steigende Stimmführung am Ende eines Satzes zu markieren. In mittelalterlichen Schriften wurde das Fragezeichen als Punkt mit einer Tilde dargestellt, einer waagerechten Wellenlinie.

…oder doch aus der Typografie?

Eine weitere Annahme geht davon aus, dass das Symbol der lateinischen Sprache entstammt: Dort lautete das Wort für „Frage“ – „quaestio“. Dieses Wort setzte man an den Schluss eines Satzes, der eine Frage beinhaltete. Der mangelnde Platz zum Aufschreiben der Texte führte dazu, dass im Laufe der Zeit beim quaestio das q über das o geschrieben wurde – später entwickelte sich aus dieser Abbreviatur durch Vereinfachung ein Fragezeigen: ?.

Evolution im Buchdruck

Für den Wandel des Symbols zum heutigen Aussehen war die Erfindung des Buchdrucks verantwortlich: Aus platzsparenden Gründen wurde die oben beschriebene Tilde nicht mehr waage-, sondern senkrecht abgedruckt. Die Buchdrucker standen außerdem anfangs vor dem Problem, dass sie zu wenige Exemplare der Satzzeichen zum Drucken besaßen – gerade wenn es um solche Symbole ging, die neu „in Mode gekommen“ waren. So bastelten sie aus den geläufigen Satzzeichen – z. B. einem Punkt und einem Komma – ein fragezeichen-ähnliches Symbol.

In Spanien steht das Fragezeichen Kopf

In der spanischen Sprache findet man bei der Verwendung des Fragezeichens eine Besonderheit, die sofort ins Auge sticht: Die geschriebenen Sätze werden nicht nur mit einem Fragezeichen beendet, sondern auch mit einem umgedrehten Frage-Symbol eingeleitet: ¿Es eso un signo de interrogación?

Die Logik dahinter ist recht einfach: Wissenschaftler der Real Academia de la Lengua waren der Meinung, dass es das Lesen erleichtern würde, wenn man bereits am Anfang eines Satzes wüsste, dass es sich um eine Frage handelt – besonders wenn es um lange Sätze geht. Im Spanischen steht das Fragewort nicht wie im Deutschen oder Englischen am Anfang des Satzes: Somit konnte man früher die Fragesätze lediglich am Ende des Lesens als solche identifizieren.

Andere Länder, andere Frage(zeiche)n…

Auch in anderen Sprachen unterscheidet sich das Aussehen und die Verwendung des Fragezeichens. Im Griechischen deutet z. B. das Semikolon einen Fragesatz an; in der arabischen Schriftsprache ist das Symbol an diese angepasst und wird genauso wie die Buchstaben von rechts nach links geschrieben; in China benutzt man das Fragezeichen, obwohl man es gar nicht braucht: Ein Fragesatz wird im Chinesischen eigentlich durch die Frage-Endsilbe „ma“ (吗) markiert – dennoch wird er mit einem Fragezeichen abgeschlossen; und im Armenischen gibt es sogar ein spezielles Zeichen, das in einem Fragesatz auf den betonten Vokal gesetzt wird.

Fragezeichen in digitalen Welten

Mit der Entwicklung des Computers und somit des Internets kamen dem Fragezeichen weitere Bedeutungen zu. Bei Suchvorgängen dient das Symbol als Platzhalter für ein beliebiges Zeichen: Gibt man also Charlott? ein, sucht man gleichzeitig nach Charlotte und Charlotta. In den Programmiersprachen wird das Symbol zusammen mit einem Doppelpunkt als Auswahloperator verwendet. Und auch in den URLs findet man ein Fragezeichen: Hier hilft es dabei, der Internetadresse zusätzliche Informationen hinzuzufügen, z. B. eine Sprache zu wählen, wenn es sich um eine mehrsprachige Seite handelt.

Verstehen Sie etwas von Schach?

Wer sich schon mal eine Schachpartie angeschaut hat – und nicht gerade ein Profi im Schachspielen ist – dem standen sicherlich viele Fragezeichen ins Gesicht geschrieben. Beim Schach stehen die Fragezeichen dabei auch noch in der Notation der Partien:

  • ? steht für einen schlechten,
  • ?? für einen sehr schlechten,
  • ?! für einen fragwürdigen
  • und !? für einen interessanten Zug.

Falls noch Fragen offen sind…

Und so kommt es, dass ein auf den ersten Blick einfaches und eindeutiges Zeichen auf so viele Weisen verwendet werden kann. Zwei Merkmale bleiben aber stets gleich: Die Stimmlage, wenn es ums Lesen geht, und die Annahme, die das Zeichen aufwirft: Was versteckt sich denn dahinter?

Habt ihr noch Fragen rund um das Fragezeichen?