Von Strichen umzingelt

Striche – davon gibt es recht viele in der deutschen Sprache: einen Minus-Strich, einen Gedankenstrich, einen Spiegelstrich, einen Bindestrich … Jeder davon sieht anders aus und hat dazu auch noch eine andere Bedeutung. Wer kann da schon den Überblick behalten? Wir haben versucht, bei den ganzen Strichen etwas mehr Ordnung zu schaffen.

Von Nadezda Gerdemann

Der Gedankenstrich und all seine Bedeutungen

Die offizielle Bezeichnung eines Gedankenstrichs lautet „Halbgeviertstrich“: Der Name kommt vom „Geviert“, einer typografischen Maßeinheit. Heute wird der Gedankenstrich oft verwendet, um einen Einschub mitten im Satz zu platzieren – wie in diesem Satz zum Beispiel – und diesen vom Hauptsatz abzugrenzen; oft ersetzt er an dieser Stelle ein Komma oder eine Klammer. Übrigens eine Unart.

Eine weitere Verwendung findet der Gedankenstrich in seiner Rolle als Pausenzeichen zwischen Wörtern oder Satzteilen (Wir machen uns fertig – und dann geht es los) oder auch übernimmt eine Rolle eines Gegenstrichs (BVB Dortmund – FC Bayern). Das Zeichen kann sogar einen Punkt ersetzen, z. B. wenn der Gedanke eines Satzes weitergeführt werden soll (Damit haben wir nicht gerechnet – ).

Aufschwung des Gedankenstrichs dank Zensur

Der Gedankenstrich erlebte Ende des 19. Jahrhunderts seinen Aufschwung durch politische Umstände: Alles Geschriebene musste die Zensur passieren. Stellen, die zensiert wurden, füllten die Verfasser mit Gedankenstrichen aus. Heinrich Heine bemängelt diese Entwicklung in seinem Buch „Reisebilder“: Er verfasst ein ganzes Kapitel (XII), in dem zwischen insgesamt 96 Gedankenstrichen lediglich vier Wörter stehen. Dies hatte in der Tat für gewisse Zeit ein Verbot der Verwendung von Gedankenstrichen zur Folge.

Spiegelstrich = Gedankenstrich?

Unter einem Gedanken- und einem Spiegelstrich versteht man meist das Gleiche – einen längeren Strich halt. Dabei sind das zwei unterschiedliche Satzzeichen. Der Spiegelstrich wird zwar z. B. im Englischen anstelle des Gedankenstrichs verwendet, allerdings recht selten: Das Zeichen wird von vielen Typografen nämlich als viel zu lang und somit nicht optimal beim Druck angesehen.

Bindestrich: eine Frage der Länge

Ein Gedanken- und ein Bindestrich werden ebenfalls sehr oft verwechselt: Beim Aussehen unterscheiden sie sich einerseits in ihrer Länge – der Bindestrich ist nämlich etwas kürzer; seine Länge beträgt nur ein Viertelgeviert. Andererseits wird der Gedankenstrich von Leerzeichen gerahmt, der Bindestrich nicht. Dabei kann die Bedeutung der beiden Zeichen unterschiedlicher nicht sein: Während ein Gedankenstrich als Abgrenzung fungiert, verbindet ein Bindestrich mehrere Worte.

Deutsche Sprache – schwere Sprache, doch zum Glück immer geregelt

Man könnte meinen, deutsche Sprache sei sehr logisch – und alles, was nicht logisch ist, werde eben in Rechtscheib-Regelwerke aufgenommen und darin festgehalten. Sucht man aber nach einem Kapitel zur Verwendung eines Bindestrichs zwischen zusammengesetzten Wörtern, wird man nicht fündig: Dies ist einer der wenigen Fälle, der sich nach sprachlicher Stilistik richtet. So sind z. B. beide Schreibweisen – Tennisplatz und Tennis-Platz – grammatikalisch richtig; stilistisch ist die letztere aber schlecht. In solchen Fällen spielt Lesbarkeit eine wichtige Rolle: Ein Tennisplatz ist dabei auch ohne einen Bindestrich gut lesbar, ein Ausnahmezustand dagegen nicht. Denn einen „Ausnahmezustand“ kann kaum einer beim ersten Leseversuch erfassen. Deswegen ist „Ausnahme-Zustand“ stilistisch eine bessere Schreibweise.

Eine Anmerkung von Zeilensprung

Der „gedankliche“ (Gedankenstrich) Ursprung der Bezeichnung ist ja klar. Was wir uns allerdings gefragt haben – angelehnt an den Aufschwung des Zeichens mit Einführung der Zensur: Könnte es sein, dass die wahre Bedeutung sich dahinter versteckt? Bei einem Gedankenstrich wird ein Wort ausgelassen – man soll sich also das zensierte Wort selbst „denken“. Beweise haben wir leider keine. Was denken Sie, woher das Wort „Gedankenstrich“ kommt?