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Den Leser abholen!

Wenn Sie einen Text schreiben, sind Sie im Thema drin, ihnen erschließt sich Grund und Sinn des Textes – den Lesern geht das nicht unbedingt so

Für sie ist das Thema fremd, sie müssen erst ausloten, inwiefern es etwas mit ihrem Leben zu tun hat. Deswegen mein Tipp:

Nehmen Sie den Leser an die Hand – holen Sie ihn ab!

Beschreiben Sie eine Situation, die dem Leser vertraut ist, in der er sich wiederfindet, an der er den Sinn Ihrer Informationen ablesen kann. Berichten Sie z. B. über eine alltägliche Situation, in der Sie ihm helfen könnten: Vielleicht hat der Leser eine solche schon einmal selbst erlebt – und ist gleich mit Interesse dabei.

Belletristik: Orientierungslosigkeit erlaubt

In belletristischen Texten dagegen ist Orientierungslosigkeit erlaubt, es kann als Stilmittel eingesetzt werden. Wie bei Patricia McCormick: Der Leser bekommt einen Platz im Kopf und Herzen der Protagonistin, von dem aus er ihre Welt erlebt.

Was ihr fremd ist, versteht auch der Leser nicht, was ihr verborgen bleibt, erfährt ebenso wenig er, ihre Erkenntnisse sind die seinen. So unmittelbar wird er in die Gesetzmäßigkeiten eines uns fremden Lebens, Denkens und Wertens entführt, dass er staunt und versteht zugleich.

Doch auch in der Belletristik hat die Orientierungslosigkeit Grenzen, denn an irgendetwas muss sich der Leser „festhalten“ können. In diesem Buch ist es das Innenleben des kleinen Mädchens, das sich dem Leser so unmittelbar erschließt wie sein eigenes.

Gebrauchstexte haben andere Regeln

Gebrauchstexte dagegen, zu denen auch Werbetexte gehören, müssen den Leser fester an die Hand nehmen, dürfen ihn nicht so lang im Unklaren lassen wie die Belletristik. Denn Gebrauchstexte lesen wir anders als Romane nicht um des Lesens willen, sondern um etwas anderes tun zu können. Nicht das Lesen, sondern dieses Tun ist das Ziel der Lektüre, und zu diesem sollten Sie Ihren Leser möglichst rasch ermächtigen.

Sprachlich können Sie sich dabei ruhig etwas von Patricia McCormick abgucken:

Die Sprache ist gerade durch ihre Kürze und Einfachheit so eindringlich – an einigen Stellen fast lyrisch. Manche Kapitel bestehen nur aus ein paar Zeilen. Manche Wortneuschöpfungen führen dazu, dass ein einziges Wort ein klares und emotional anrührendes Bild erzeugt.

Dieses Buch zeigt: Es braucht nicht viele Worte, um eine Welt zu erschaffen. Nur die richtigen.

Patricia McCormick: Verkauft. Frankfurt a. M.: Fischer 2008.

 

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