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Hilfsverben: Wo wir uns ohne sie behelfen sollten

Hilfsverben sind Verben, die nicht für sich allein stehen können, sondern andere Verben unterstützen. In folgenden Fällen benötigen wir Hilfsverben:

  • bei der Bildung von Zeiten:
    Ich werde morgen einen wichtigen Kunden treffen. (Hilfsverb sein)
    Gestern haben wir ein tolles Projekt abgeschlossen. (Hilfsverb haben)
  • bei der Bildung von Passivsätzen:
    Die Veranstaltung wird stringent  moderiert. (Hilfsverb sein)
  • bei der Bildung von Modi:
    Sie müssen heute eine Stunde länger arbeiten! (Hilfsverb müssen)
    Wir sollen heute noch fertig werden … (Hilfsverb sollen)
    Ich darf heute früher gehen, juhu! (Hilfsverb dürfen)
    Kannst du mir bei dem Entwurf helfen? (Hilfsverb können)
    Ich an deiner Stelle würde ihm das nicht sagen … (Hilfsverb werden)

Oft genug jedoch setzen wir Hilfsverben in Sätzen ein, die ohne sie besser dran wären: stärker, direkter und aussagekräftiger.

Hilfsverben machen passiv

Prüfen Sie, ob für die Aussage tatsächlich komplizierte und wortreiche Konstruktionen mit Hilfsverben notwendig sind. Oder ob Sie lieber einfach das Verb austauschen:

„Als Textbasis werden hauptsächlich Aufsätze und andere Publikationen aus dem Feld der Deutschdidaktik herangezogen, die durch allgemeine Texte zum Thema ‚ästhetische Bildung‘ aus dem Bereich der Pädagogik und der Philosophie ergänzt werden.“

„Als Textbasis dienen hauptsächlich Aufsätze und andere Publikationen aus der Deutschdidaktik; allgemeine Texte zur ‚ästhetischen Bildung’ aus der Pädagogik und Philosophie ergänzen sie.“

Hilfsverben stehlen das Selbstbewusstsein

1. Beispiel:

„In diesem Seminar können Sie Ihre Fähigkeiten verbessern und neue hinzulernen. Durch die kleine Gruppengröße können wir Sie in Übungen intensiv begleiten.“

Können sie das – oder tun sie es auch wirklich? Selbstbewusst klingt anders – z. B. so:

„In diesem Seminar verbessern Sie Ihre Fähigkeiten und lernen neue hinzu. Durch die kleine Gruppengröße begleiten wir Sie in Übungen intensiv.“

2. Beispiel:

„Gern möchten wir mit Ihnen einen Termin vereinbaren.“

Auch hier wäre es selbstbewusster, wenn das Hilfsverb gestrichen würde:

„Gern vereinbaren wir mit Ihnen einen Termin – bitte rufen Sie uns an.“

3. Beispiel:

Und das folgende Beispiel klingt beinahe unterwürfig:

„Ich würde mich freuen, Sie in einem Gespräch kennenlernen zu dürfen.“

Stärker ist:

„Ich freue mich, Sie in einem Gespräch kennenzulernen.“

Dieser Satz sieht auch sehr viel vertrauenerweckender aus z. B. unter einer Bewerbung.

Warum wir nicht müssen sollten

„Morgen muss ich zuerst die Wäsche waschen. Danach muss ich einkaufen und anschließend noch zu meiner Tante. Abends müssen wir dann noch auf eine Hochzeit …“

Das Hilfsverb „müssen“ drängt uns in eine selbstgewählte Fremdbestimmung: Wer sagt denn, wir müssten? Indem wir sagen: wir müssen, statt: wir tun, erschaffen wir eine uns übergeordnete Macht, die uns die Selbstbestimmung nimmt. Dadurch geraten wir in Druck – und vermitteln auch diesen Eindruck unseren Lesern oder Hörern. Manchmal ersetzt das Hilfsverb „müssen“ als Platzhalter sogar das eigentliche Verb, im Beispiel sind zwei Fälle genannt.

Wie selbstbewusst, motiviert und organisiert klingen wir dagegen, wenn wir sagen:

„Morgen wasche ich zuerst die Wäsche. Danach kaufe ich ein und anschließend fahre ich zu meiner Tante. Abends gehen wir dann noch auf eine Hochzeit …“

Und schon machen die Dinge mehr Spaß, denn wir haben uns ja selbst für sie entschieden.

Versuchen Sie mal, Ihren Mitarbeitern oder Kollegen nicht mit „müssen“ zu kommen, sondern einfach das Vollverb im Indikativ zu verwenden: Welchen Einfluss hat das auf Motivation und Handlungsbereitschaft?

„Heute dürfen wir auf keinen Fall Fehler machen, die Charge muss morgen früh zum Kunden. Deswegen müssen Sie noch schneller und sauberer arbeiten als sonst.“

„Heute machen wir auf keinen Fall Fehler, die Charge geht morgen früh zum Kunden. Deswegen arbeiten Sie noch schneller und sauberer als sonst.“

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