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Wie funktioniert Humor?

Beim Leser/Hörer ein Lächeln oder gar ein lautes Lachen zu erzeugen durch einen Text, ist eine hohe Kunst. Klar, der eine ist talentierter als der andere, wie das bei jeder Fähigkeit ist. Aber Humor und Witz spielen auch nach gewissen Regeln.

Die Regeln des Humors

Wie also wird man lustig? Ein Witz oder eine lustige Erzählung zeichnet sich dadurch aus, dass sie Erwartungen durchkreuzt.

Wir alle haben Annahmen über die Welt und das Leben: Babys sind niedlich. Frauen haben rasierte Beine. Der Pfarrer ist ein würdevoller Herr. Zur Begrüßung schüttelt man einander die Hand. Passiert plötzlich etwas in einem Text, das diesen Annahmen zuwiderläuft, wird es witzig.

Plötzlich ist ein wichtiges Stichwort: Je näher der Teil der Aussage, der die Situation beschreibt, und der, der die Annahme durchkreuzt, beieinanderstehen, desto besser trifft der Witz. Wortwitz kommt oft mit einem Satz aus: „Und das Baby verzog sein niedliches Gesicht, öffnete seinen süßen, kleinen Mund, schloss die Kulleraugen und kotzte dem Bürgermeister auf die Füße.“ Alle Erwartungen richten sich darauf, dass gleich etwas Liebenswertes geschieht – und dann passiert das Gegenteil.

Der Erfolg von Witz ist abhängig vom Publikum

Achtung: Witz funktioniert nur dann, wenn er sich innerhalb gesellschaftlich akzeptierter Grenzen hält – und die können je nach Publikum verschieden sein. In einem Altenheim z. B. kann ein Schlag unter die Gürtellinie Entrüstung hervorrufen, während der gleiche Witz bei einem Junggesellenabschied Lachtränen provoziert.

Ein sensibles Thema ist in Witzen daher immer Gewalt und gegen wen sie ausgeübt wird: Bekommt der Ganove im Filmklassiker „Kevin allein zu Haus“ ein Bügeleisen an den Kopf, wirkt das lustig. Verprügelt jemand ein kleines Mädchen, finden das egal in welchem Kontext die wenigsten Menschen witzig.

Drei Bücher – drei Arten von Humor

Diese drei folgenden Bücher nutzen jeweils eine andere Spielart, eine andere Nuance von Humor, um ihre Leser zu unterhalten. Sammeln Sie Ihre Lieblingsstellen und versuchen Sie herauszufinden, wie und warum sie so gut funktionieren. Das wird Ihnen helfen, wenn Sie selbst einmal einen humorvollen Text verfassen wollen.

Lieber Sohn, es tut mir leid

Lena Gorelik ist Jüdin und daher nach eigener Aussage quasi per Geburt mit einigen jüdischen Eigenschaften ausgestattet – darunter diese besondere Form des Humors

Er macht dieses Buch so lesenswert, auch wenn der historisch aufgeklärte und empfindsame Leser sich immer wieder umguckt, als wolle er prüfen, ob jemand etwas dagegen hat, weil er das nun lustig findet.

Die Autorin löst sich ganz bewusst von den vergangenheitsbezogenen Themen, die der Leser von jüdischen Autoren gewohnt ist, und wendet sich der Gegenwart eines Juden in Deutschland zu. Dabei nimmt die Protagonistin Bräuche, Charaktere, Vorurteile und sich selbst aufs Korn – mit diesem spitzen, leidgeprüften und dennoch nicht unterzukriegenden Humor. Wer dieses Buch liest, wird anschließend kein schlechtes Gewissen mehr haben, wenn er einen Juden „Jude“ nennt. Ein Christ ist ja schließlich auch ein „Christ“ – oder?

Lena Gorelik: Lieber Mischa, Du bist ein Jude. München: Graf 2011.

Das Leben und die Tage dazwischen

Dieses Buch zu lesen, bereitet ein unglaubliches Vergnügen und hinterlässt ein warmes Gefühl im Bauch – und trotz der verzweifelten Tiefen im Leben des Protagonisten ist es ein perfektes Urlaubsbuch

Die leidenschaftlichen Sprachspiele wirken leicht statt erzwungen, zwingen den Leser aber fast dazu, immer wieder eine besonders schöne Stelle dreimal zu lesen, während er gleichzeitig den nächsten Satz nicht erwarten kann. Dieses Buch ist ein Beispiel dafür, wie Sprache eine Atmosphäre webt, die nicht nur lesbar, sondern spürbar ist.

Bierbæk beschreibt die Figuren in seinem Roman stark fokussiert, dadurch wirken sie erst richtig lebendig. Er trifft den Kern einer Sache – manchmal dadurch dass er Worte verwendet, die „man“ dafür normalerweise nicht benutzt. Ein anderes Mal, indem er genau das vorgesehene Wort wählt, und das deswegen niemand jemals verwendet. Dies gibt seiner Sprache eine gewisse atmosphärische Schärfe, während die Szenen gleichzeitig viel Gestaltungsspielraum im Kopf des Lesers zulassen. Und gerade, als sich der Leser auf Sex, Drugs and Rock’n’Roll eingestellt hat, schlägt einer von diesen Tagen „dazwischen“ zu und reißt den Protagonisten und den Leser in die Tiefe.

Michel Birbæk: Was mich fertig macht ist nicht das Leben sondern die Tage dazwischen. Bergisch Gladbach: Bastei Lübbe 2004.

Humor im Wechsel

Emmi will ein Abo abbestellen, sendet die E-Mail an die falsche Adresse und eröffnet damit eine E-Mail-… – ja, eine was eigentlich?

Das wissen sie und Leo auch nicht so recht und drücken sich mit immer neuen geistreichen Wortgefechten um die Definition herum. Und um ein Treffen in der Realität. Wer Romantik und Kitsch bisher als zwei Seiten derselben Medaille wahrgenommen hat, der stürze sich in Daniel Glattauers witzigen, sprachgewandten und emotionsgeladenen Roman, der mittlerweile auch auf der Bühne zu sehen ist.

Leseprobe: Daniel Glattauer: Gut gegen Nordwind. München: Goldmann 2008.

Humor gegen Repression

Genitiv- und Dativ-Kaskaden, ein Stau stur hintereinander geparkter Wörter, die nicht vorwärts und nicht rückwärts können, Sätze wie Plattenbauten, Substantive, aufgereiht wie beim Appell …

Ein Spalier von Begriffen, die einzig dazu zu dienen scheinen, die eigenen Absichten sogar vor sich selbst geheimzuhalten – in einer solchen Sprache bewerten die Stasi-Beamten die unbedarften Gedichte eines DDR-Jugendlichen an seine Brieffreundin in München: Der ahnt nicht, dass die Stasi alle seine Briefe öffnet und auf ihr politisches Gefahrenpotenzial hin überprüft.

Jahre nach dem Fall der Mauer wird der nun junge Mann von einem Verein gebeten, als ehemaliger Untergrunddichter auf einem Vortragsabend zu sprechen, und ist sich sicher, dass man ihn verkohlen will.

Rayk Wieland: Ich schlage vor, dass wir uns küssen. München: Kunstmann 2009.

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