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Kindern auf den Mund geschaut

Wie ungenau wir manchmal Dinge bezeichnen, zeigt sich, sobald wir mit Menschen umgehen, die in unserer Sprache noch nicht so zuhause sind wie wir – zwei Beispiele: Als ich einmal meinen argentinischen Kollegen fragte, ob er wisse, wo es langgehe, sagte er: „Nein, aber ich weiß, wo es kurzgeht.“ Zunächst verdutzt erklärte ich ihm, dass es eigentlich „entlanggehen“ heiße. „Ach so“, sagte er, „ich dachte, in Deutschland sei es normal, extra Umwege zu machen.“

Unsere Tochter brachte uns zum Lachen, als sie im Zoo fröhlich auf das Becken mit den „See-Wau-Waus“ zurannte. Bereits erfahren hatten Bekannte ihrer Tochter direkt beigebracht, dass das Seerobben seien, keine Seehunde … Kinder sind also ein guter Indikator für Begriffsunschärfen, an die wir uns längst gewöhnt haben.

Wenn der Gorilla dem König das Ruder klaut

„Nach dem Sturz des Monarchen übernehmen Guerillas das Ruder“ – diese hochbrisante Schlagzeile rief bei Kindern das Bild eines stolpernden Königs hervor und eines Menschenaffen mit Ruder in der Hand, so zeigt es MAD, das Fachblatt für Hintergedanken, in einer Karikaturenserie. Was sich Kinder unter der Schlagzeile „Enthüllungsskandal vor dem Richter“ vorstellten, kann man sich dann denken.

„Rote Zahlen bei der Bahn“ dagegen sorgt für eine Überraschung: Die Karikatur zeigt Indianer, die am Schalter Tickets lösen – hier wird aus einem Substantiv ein Verb, aus einem Adjektiv plötzlich ein Substantiv – und ein politisch unkorrektes dazu.

Unter dem Titel „Im Parlament beginnt Tauziehen um Rüstung“ sind im Bild eine Ritterrüstung und ein Seil zu sehen, unter dem Titel „Europagipfel geplatzt“ ist es ein Berg mit explodierender Kuppe.

Bildhaft schreiben – aber bitte mit Begriffsgenauigkeit

Eine bildhafte Sprache ist eine lebendige Sprache – gut jedoch, dass ab und zu jemand diese Bilder hinterfragt: „Sich zu etwas mausern“ verwenden wir in der Bedeutung: sich wandeln. Wolf Schneider schreibt in seinem Buch „Deutsch für junge Profis. Wie man gut und lebendig schreibt“ jedoch treffend: „Der Spatz, der sein altes Federkleid abstößt, mausert sich zu gar nichts, er bleibt ein Spatz“. Und auch den „Quantensprung“ kritisiert er: Was einen riesigen Sprung versinnbildlichen soll, ist in der Physik ein Ereignis auf Atomebene – und damit winzig.

Junge Sprachkritiker

Die fünfjährige Nichte einer bekannten bestellt sich zum Geburtstag einen „Fächerhalter“. Das brachte die Tante in Verlegenheit, bis das Mädchen erklärte: Ihre Hand sei zu klein für die Karten beim Uno-Spielen. Deswegen gibt es dafür Kartenhalter, die die Karten auffächern: Fächerhalter eben.

Aktinomykose

Die Tochter eines Freundes entdeckte ein medizinisches Fachbuch auf dem Wohnzimmertisch und las laut das Wort „Aktinomykose“. Einmal, zweimal – beim dritten Mal forderte sie von ihrem Vater: „Papa, lies das mal, ich lese immer falsch!“ – „Du hast jedes Mal richtig gelesen, mein Schatz, das heißt so.“ Seine Tochter war daraufhin fest davon überzeugt, er wolle sich einen Scherz erlauben, und erwiderte : „Quatsch, Papa, so ein Wort kann es gar nicht geben!“

Was lernen wir von den beiden Mädchen? Formuliere anschaulich und verständlich – dann überzeugst du auch die schärfsten Kritiker. Schade, dass sie selbst viel davon in der Schule wieder verlernen werden …

Ach ja: Für Aktinomykose gibt es auch das schöne Wort Strahlenpilzkrankheit – das ist allerdings falsch, denn es handelt sich um eine bakterielle, keine Pilzerkrankung: Medizingeschichte in einem einzigen Wort.

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