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Innere Bilder durch Worte erzeugen

Texte, die erinnert werden wollen, sollten innere Bilder erzeugen, Bilder im Kopf. Warum?

Denken braucht Bilder

Die sogenannte Imagery-Forschung hat ergeben, dass mentale Prozesse vor allem bildhaft ablaufen, nicht nur verbal. Sprich: Wir denken nicht nur in Worten, sondern besonders in Bildern. Jeder kennt das aus seinen Träumen: Darin hören wir nicht nur einen Text, als läse jemand vor, sondern sehen vor allem, als schauten wir einen Film.

Stellt sich ein Sportler seinen Sieg bildhaft vor, hat er bessere Chancen, ihn zu erreichen (Manipulation). Und wer sich viele Informationen merken will, legt sie am besten bei einem imaginären Spaziergang durch sein Haus ab und sammelt sie später an diesen Stellen wieder auf (Aktivierung). Stellen wir uns ein Gesicht vor, sind dieselben Gehirnregionen aktiv, wie wen wir das Gesicht sehen.

Wörter machen Gefühle

Auf Bilder reagieren wir unmittelbar emotional mit Freude, Schmerz, Ekel etc. – bisher waren Hirnforscher, Sprachwissenschaftler und Psychologen der Ansicht, Wörter könnten diese unmittelbaren Reize nicht auslösen. Widerlegt hat das nun die Doktorandin Kati Keuper an der WWU Münster: Sie hat gezeigt, dass das menschliche Gehirn beim Lesen von emotionalen Wörtern sofort reagiert – neutrale Wörter dagegen lösen kaum Reaktionen im Gehirn aus. Konkrete (Hügel) oder emotionale Worte (lieben, hassen …) schaffen das leichter als abstrakte (Erhebung) oder sachliche (vornehmen, vorliegen …). Deswegen sollten Texte möglichst konkret, bildhaft und emotional sein.

Wissen wir eigentlich, die wir schon als Kinder mit klopfendem Herzen unter der Decke Romane gelesen haben, oder? Wissen auch Werbefachleute, die mit einer emotionalen Sprache unser Kaufverhalten zu beeinflussen suchen. Nun, jetzt ist es bewiesen: Wörter machen Gefühle.

Innere Bilder wirken

  • Bilder wecken Erinnerungen und Erinnerungen wecken Bilder.
  • Anhand von gespeicherten Bildern orientieren wir uns, z. B. beim Finden des Wegs zu einem Freund.
  • Bilder beeinflussen Entscheidungen.
  • Bilder berühren uns, z. B. beim Lesen von Romanen.

Und innere Bilder beeinflussen unser Handeln, besonders wenn sie

  • lebendig sind
  • klar und konkret sind
  • leicht verfügbar sind
  • innerlich erregen.

Erzeugen Sie Bilder mit Worten – und bleiben Sie so in Erinnerung und steuern das Verhalten Ihrer Leser!

Interessant, wenn meines Erachtens auch nicht wirklich verwunderlich: Scheinbar neutrale Begriffe (z. B. Vortrag) lösen bei Menschen mit bestimmten Angststörungen heftige Gehirn-Reaktionen aus im Gegensatz zu gesunden Menschen. Daraus hofft die Wissenschaft nun, neue Therapieansätze für Angstpatienten zu erarbeiten.

Buchtipp: Neue Sprachbilder

„Der See blickt wie ein Auge in den Himmel, bewimpert von Schilf …“

Dieses Buch ist nicht nur inhaltlich lesenswert, sondern entfaltet eine Sprache, die der Phantasie sofort Bilder eingibt. Manchmal sind diese Bilder undeutlich, man ist sich nicht sicher, ob man sieht, was man sieht – wie in einem Traum. Und auch das passt zum Inhalt, handelt es sich bei Juli Zehs „Corpus Delicti“ doch um einen Utopie-Roman, also um etwas, das wir noch nicht genau sehen können, nur ahnen, weil es in der Zukunft liegt.

Leseprobe: Juli Zeh: Corpus Delicti. Ein Prozess. Frankfurt a. M.: Schöffling & Co. 2009.

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