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Vermeiden Sie verbale Schläge!

Unsere Alltagssprache ist geprägt von Gewaltausdrücken, die wir nicht gewalttätig meinen, von Militärbegriffen, die unsere langen Friedenszeiten unrechtmäßig überdauert haben:

„Ich hab ein Attentat auf dich vor!“
„Ich würg dich jetzt ab, da ist ein Telefonat auf der anderen Leitung.“
„Hier ist der Teufel los!“
„Dann schieß mal los!“
„Geh dem Chef heute bloß aus der Schussbahn!“

Harmlos, sagen Sie? Jedes gewalttätige Wort, so banalisiert seine Bedeutung heute ist, löst in uns eine unbewusste Gegenwehr aus.

Und unbedacht geben wir mit unserer Sprache den Krieg an die nächste Generation weiter: ABC-Schützen, Vor- oder Ratschlag, die Waffen einer Frau … In Zeiten, da das Miteinander das Gegeneinander ablöst, erreichen wir unser Ziel leichter so:

„Ich habe eine spontane Bitte an dich.“
„Können wir unser Gespräch später fortsetzen? Da ist ein Telefonat auf der anderen Leitung.“
„Heute sind wir alle gut beschäftigt.“
„Dann lass mal hören!“
„Geh dem Chef heute lieber aus dem Weg.“

Und unseren Kindern geben wir besser mit: Erstklässler, Anregung und weibliche Argumente. Bei Letzterem könnte man sich allerdings überlegen, ob die Situation überhaupt nach einem derartigen Kommentar verlangt …

In Deutschland scheitert man nicht!

Ein Beispiel, wie ein Wort etwas zerstören kann, ist das deutsche Wort scheitern. Scheitern entstand aus dem früheren „zu Scheitern werden“ – das Bild dahinter: Fahrzeuge und Schiffe brechen in Stücke oder Scheite, heute noch bekannt als Holzscheite für den Kamin. Zerbrochenes, zerborstenes, zersplittertes Holz – schon ein drastisches Bild. Sicher hängt es auch mit der Sprache zusammen, dass gerade in Deutschland Scheitern so schlimm ist: Im Englischen heißt „scheitern“ to fail – und das kommt vom lateinischen fallere, was „enttäuschen“ heißt, „unbemerkt bleiben“ (sic!) oder im Passiv „sich irren“.

Und irren kann sich schließlich jeder mal. Aber zerbersten können wir nur einmal, das macht Angst. Kein Wunder, dass Scheitern unsere Lust auf Wagnisse zerstört.

Die gesellschaftliche Ächtung des Scheiterns sieht die eine Ernst & Young-Studie als einen wichtigen Grund, warum in Deutschland Existenzgründungen schwer fallen: Sie werden nicht als Chance begriffen, sondern als Erfolgs-Muss und Versagens-Falle. Unter den G-20-Ländern ist Deutschland unteres Mittelfeld bei der Zahl der Unternehmensgründungen pro Einwohner. Gut, auch Behördenaufwand ist einer: In Estland kann man ein Unternehmen in zehn Minuten gründen und alle Formalien einfach im Internet ausfüllen.

Worte werden wahr

Sprache hat also ernste Auswirkungen auf unsere Wirklichkeit. Wenn mich die Angst zu scheitern überkommt, höre ich mir immer „Wenn das Scheitern nicht wär“ von Uta Köbernick an – und danach kann ich mir vorstellen, wie sich jemand fühlt, der fail und nicht „scheitern“ sagt.

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