Zum gesellschaftlichen Sprachgebrauch in Bezug auf Frauen und andere Menschen
Eigentlich hätte ich gern ein Foto zu Karins Aufruf gepostet. Einmal, weil sie mich direkt aufgefordert hat und ich sie als tolle Frau und engagierte Unternehmerin kennengelernt habe. Dann, weil ich gerne andere (Frauen) unterstütze, und wenn’s nur mit einem Post ist.
Von Mareike Knue
Ich hab’s trotzdem nicht getan. Warum? Es lag an der Formulierung des Posts: „Wir Frauen, finden es leichter, uns gegenseitig zu kritisieren, anstatt uns gegenseitig aufzubauen.“ Damit pflegt Karins Post eine schlechte Angewohnheit, bei der ich mich selbst leider noch viel zu oft ertappe.
Und jetzt nehme ich den Post zum Anlass, endlich einmal darüber zu schreiben:
Ich habe es satt, dass wir mit unserer Sprache die Welt am Leben halten, die wir nicht wollen. Equal Pay Day und Weltfrauentag liegen gerade wieder einmal hinter uns und ich reagiere erhöht allergisch auf Formulierungen wie:
- „Frauen verdienen noch immer weniger als Männer, deswegen müssen wir für gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit kämpfen.“
- „Frauen erledigen noch immer den Großteil der Familienarbeit, während Männer nur zwei Vätermonate nehmen.“
- „Immer mehr Väter würden gerne länger Elternzeit nehmen, fürchten aber berufliche Nachteile.“
Sprache schafft Realität. Solange wir immer wieder in Worten die Zustände wiederholen, die wir abschaffen wollen, werden sie sich auch in der Realität wiederholen. Weil jede wörtliche Wiederholung uns an den Inhalt der Worte gewöhnt. Wir kennen das von persönlichen Glaubenssätzen. Es funktioniert genauso mit gesellschaftlichen.
Ich wünsche mir, dass wir ab jetzt einfach sagen:
„Meine Kinder sind mit acht Wochen in die Tagespflege gegangen und ich wieder arbeiten.“ Oder: „Ich bin nach der Geburt meiner Kinder zwei Jahre zuhause geblieben.“
Ohne Begründung, die doch nur wieder eine Rechtfertigung wäre. Einfach so. Und wer diese Entscheidungen nicht als Selbstverständlichkeit akzeptieren kann, der soll bitte nach einem Grund fragen. So eröffnet sich die Chance auf ein Gespräch, in dem sich der eine für die Meinung des anderen interessiert – und es so zu einer Veränderung der Einstellung kommen kann.
Begründen, rechtfertigen wir immer sofort, was wir uns als selbstverständlich wünschen, nehmen wir unserer Aussage die Selbstverständlichkeit. Und machen sie damit angreifbar. Außerdem bringen sie andere Menschen um ein horizonterweiterndes Gespräch. Deswegen sollten wir sagen:
- „Wir kämpfen für gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit.“ Es ist doch völlig egal, wer für gleiche Arbeit weniger verdient, der Wert „gleiches Geld für gleiche Arbeit“ sollte für jeden von uns selbstverständlich sein. Dieser Wert braucht weder Begründung noch Rechtfertigung.
- Formulieren wir es doch positiv-zukunftsgewandt statt negativ-rückwärtsblickend: „Männer engagieren sich zunehmend stärker in der Familienarbeit.“ Damit erleichtern wir es Männern, diesen Trend zu verstärken und fortzusetzen, weil wir deutlich machen, wie normal das in unserer Vorstellung ist.
- Und perpetuieren wir keine Ängste, das füttert sie: „Immer mehr Väter streben an, länger Elternzeit zu nehmen.“
Spürt ihr, was sich ändert?
Liebe Karin, die Formulierung „Lasst uns Facebook nutzen, um uns gegenseitig aufzubauen!“ würde viel eher deinem mutigen, optimistischen und kraftvollen Wesen entsprechen.
Und ich nutze jetzt deinen Post für ein Statement, das hoffentlich eine optimistische, selbstbewusste und zukunftsorientierte Sprache fördert. Von uns und für uns.
Lasst uns mit Worten die Welt schaffen, in der wir leben wollen. Worte schaffen Realität.