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Leichte Sprache als Herausforderung

Wie informieren sich Menschen mit Leseschwäche oder geistiger Behinderung über die Wahlprogramme der Parteien? Wie verstehen sie eine Gebrauchsanweisung? Und was, wenn sie zur geistigen Erbauung in der Bibel lesen wollen?

Lesefeindliche Texte grenzen Menschen aus

All diese Texte sind bekanntlich nicht leicht zu lesen und/oder zu verstehen: Schwammige Sprache, komplizierte Ausdrücke oder einfach ungebräuchliche Begriffe erschweren ungeübten Lesern den Informationszugang. In der „Zeit“ gab es dazu am 30. Januar 2014 den Artikel „Deutsch light“, darin formulierte Burkhard Strassmann das so: „Sprache wird regelmäßig dazu benutzt, Uneingeweihte hermetisch auszuschließen.“

Das Zentrum für Leichte Sprache in Bremen übersetzt Texte in leichtes Deutsch; Menschen mit Behinderung, die Textprüfer, testen, ob das Ergebnis ihren Lesefähigkeiten tatsächlich angemessen ist.

Botschaften werden klar durch verständliches Schreiben

Das Ergebnis klingt schlicht, manchmal geradezu abgehackt, verstümmelt. Aber jeder versteht es. Dabei nutzen die Übersetzer lediglich Methoden, die für gute Gebrauchsexte allgemein gelten:

  • kurze Wörter
  • längere Wörter mit Bindestrich teilen
  • kurze Sätze
  • aktivische Formulierungen
  • positive Formulierungen
  • Indikativ
  • Hauptsatzstruktur
  • keine Einschübe

Nur nutzen sie die Methoden exzessiv – und leisten dabei Einiges mehr, als nur Wörter und Sätze zu vereinfachen: Lesen Sie mal ein Parteiprogramm in Leichter Sprache, plötzlich können sich Formulierungen nicht mehr um Inhalte drücken und Sie verstehen, was die Parteien wollen. Und das klingt zeitweise sehr unromantisch … Für diese inhaltliche Leistung ist eine Menge Interpretationsarbeit nötig und dafür wiederum viel Einarbeitung ins Thema.

Sprache erfüllt verschiedene Funktionen

Bei jeder Übersetzung geht etwas verloren – so auch bei der Leichten Sprache: Zwischentöne, Relativierungen, Ironie. Deswegen sollte Sprache nicht generell derartig reduziert werden – aber überall, wo Verstehen notwendig ist für gesellschaftliche Teilhabe, sollten wir uns öfter der Methoden des guten Deutschs bedienen.

Und im nächsten Wahlkampf klicken wir auf den Internetseiten der Parteien am besten gleich auf das Logo für Leichte Sprache: Dort lesen wir vielleicht kürzer und klarer. Einfach mal ausprobieren!

Buchtipp: Die Peter-Pyramide

Es beschreibt, wie der Mensch im Namen des „Fortschritts“ bei einfachen Vorgängen derart viele Zwischen-Instanzen zuschaltet, dass sich eine potenziell unendliche umgekehrte Pyramide auf diesen Vorgang türmt.

Mir hat vor allem der satirisch-humorvolle Sprachduktus gefallen, der schon in der Autorenbeschreibung durchkommt, als der Autor über sich selbst schreibt: „Wenn er sein Leben noch einmal leben dürfte, würde er dieselben Fehler wiederholen – nur früher.“

Das Buch beschäftigt sich vor allem mit Organisationen, hat darunter aber auch ein Kapitel über die Sprache in diesen Organisationen, aus dem ich zitiere: „Der Wunsch, durch große Worte zu beeindrucken, ist eine verbreitete und meist harmlose Eigenart, doch als polysyllabisches Syndrom der Bürokraten wird es zum ernsthaften Problem für die Gesellschaft. Die Sprache, die ursprünglich für die Gesellschaft entwickelt wurde, dient heute vielen Zwecken. Für den Bürokraten ist sie vor allem ein Mittel zum Schutz der Bürokratie und der eigenen Person. […] Dieses besondere Fachchinesisch besteht nicht nur in der Verwendung von Wörtern, die der Rechtsphäre zugerechnet werden, sondern auch in einer besonderen Verknüpfung der Wörter. […] Da es aus leeren Worthülsen besteht und jeglicher grammatischen Struktur entbehrt, ist es eine Sprache, die leicht zu sprechen, aber schwer zu verstehen ist. […] Mit steigender Unverständlichkeit der Sprache nimmt die Menge der Wörter zu, bis sie völlig bedeutungslos werden.“ (Laurence J. Peter: Die Peter-Pyramide. EBGO: Die Einheitlich Bürokratische GrundOrdnung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1991. S. 102-108)

Gönnen Sie sich dieses Buch, das zumindest gebraucht vielfach zu erhalten ist, und erfreuen Sie sich an den Erkenntnissen gespickt mit Karikaturen, Zitaten und Beispielen!

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